Der Ursprung aller Barsche

Nilbarsch

Dezember 2012 .  Uganda  .  Nil

Martin Peters

Immer wieder war der Pfad durch die dichte Vegetation von abgebrochenen Ästen blockiert. Unglaublich, dass sich ein Elefant in die steilen Hänge dieser Anhöhe gezwängt haben musste. Als wir aus dem Wald hervortraten, spürten wir die Hitze. Wir sehnten uns nach den ersten Gewitterwolken, welche sich meistens gegen Nachmittag auftürmten und die Sonne immer mehr verdeckten. Unsere Wanderung führte nun wieder bergab und durch hohes Gras. Die Augen hielten Ausschau nach Schlangen, Spinnen und Dornenranken. Die Füße tasteten nach sicherem Halt zwischen dem undurchdringlichen Grün und unsere Hände umklammerten die Angelausrüstung. Nach einigen Metern machten wir eine Pause und ließen unseren Blick über das wilde Wasser unter uns schweifen. Der Flussabschnitt war hier mit dem Boot nicht mehr zu befahren gewesen, und so mussten wir das letzte Stück wie so manches Mal über den Landweg bewerkstelligen. Gebannt blickte ich in den Kessel zwischen den Baumkronen unter mir. Vermutlich hatten die Nilbarsche dort noch nie in ihrem Leben Erfahrung mit einem Gummifisch gemacht. Wir angelten mit Ruten bis 300gWG, 10.000er Stellas und 0.50er Geflochtenen. Und nahmen in Kauf, dass wir ohne Bootsunterstützung in diesem schäumenden Wasser voller Felsnadeln, Muschelbänken und schlechten Landungsmöglichkeiten jeden Fisch auf Biegen und Brechen drillen mussten, um überhaupt eine Chance zu haben.

Vor uns stürzte sich der Nil durch enge Schluchten in zwei tosenden Wasserfällen herab. Das drehende Wasser dahinter wurde der „Devil´s Cauldron“ genannt, die Teufelskammer. Fast schien es so, als wäre hier einst vor sehr langer Zeit die Mutter aller Barsche aus dem Erdinneren ausgespuckt worden. Wir befanden uns im ursprünglichen Verbreitungsgebiet der Nilbarsche in einem intakten Ökosystem, in welchem die größten Krokodile des Nils für eine gesunde Alterspyramide und Bestandsdichte sorgten. Einst waren die Murchison Falls für die Raubfische unüberwindbar. Erst als der Mensch sie aus kommerziellem Interesse auch oberhalb ansiedelte, nahm die ökologische Katastrophe im Viktoriasee ihren Anfang. Heute sind dort die einst heimischen Buntbarsche nahezu ausgerottet und die Nilbarschbestände durch Überfischung wieder stark dezimiert.

Noch nie hatte ich bei einer meiner Angelreisen mehr Zeit in Recherchen und Vorbereitungen gesteckt, noch nie war eine Planung so aufwändig gewesen. Mit meinem langjährigen Angelkumpel Frank hatte ich auch schnell einen passenden Partner an meiner Seite. Wir träumten beiden von einem Nilbarsch jenseits der 50kg-Marke, gefangen auf einen geworfenen Kunstköder! Da wir aus Ägypten in den letzten Jahren immer schlechtere Fangmeldungen vernahmen schien Uganda die letzte Hoffnung zu sein. Dort fließt der Nil in den Tropen, sein Wasser wird von Trocken- und Regenzeiten bestimmt. Da wir nicht sicher abschätzen konnten, welche Bedingungen uns vor Ort erwarten würden, rüsteten wir uns neben der Spinnfischerei auch für das Angeln mit Köderfischen aus. So reisten wir schließlich mit insgesamt 120kg Gepäck ins Herz von Afrika.

Die Morgensonne erschien über den vernebelten Wäldern. Hier war der Nil bereits breit und gurgelte träge dahin. Wir suchten uns einen flachen Pool mit Nilpferden. Die massigen Tiere waren recht schlechte Schwimmer und verbrachten den Tag meist stehend im Wasser – so tief, das gerade noch der Kopf heraus ragte. Ihre Ausscheidungen lockten erst die Awakas an, diese dann die Nilbarsche und letztendlich auch regelmäßig Krokodile. Vorsichtig tuckerten wir gegen die Strömung im etwas tieferen Wasser vor den Nilpferden. Nacheinander ließen wir drei Ruten mit Grundblei und ca. 30cm langen Awakas als Köder auf den Grund sinken. Danach verankerten wir unser Boot im Schilf. Es vergingen nur wenige Minuten, dann heulte der erste Freilauf der US Baitrunner auf. Frank griff die Rute, schaltete die Bremse ein und ließ den Circlehook greifen. Der Fisch machte eine direkte Flucht ins Flachwasser und ließ die Nilpferde aufschrecken. Leider war der Drill so schnell vorbei wie er begonnen hat, der Barsch ging zwischen den Beinen der Tiere verloren. Wir brachten die Köder wieder aus und kamen erneut kaum zum Festmachen am Ufer. Dieses Mal konnten wir dem Nilbarsch mit dem Boot ins tiefere Wasser folgen. Mehrfach zeigte sich der Fisch an der Oberfläche und schüttelte sich, dann ging er wieder auf Tauchstation. Bald hatte Frank das Tier von über 50kg längs am Boot. Unser Guide Itchi versuchte ihn mit dem Barschgriff im Maul zu fassen, doch nun blieb die Klappe verschlossen. Ein kleiner Kopfschlag, der knapp gefasste Haken schlitzte aus und der Nilbarsch tauchte vor unseren Augen im trüben Wasser ab. Wir waren fassungslos, aber das gehörte auch dazu. Kurz darauf folgte ein weiterer Biss und ein gelandeter Barsch von 20kg.

Nicht immer gab es beim Naturköderangeln auf unserer Tour so viele Bisse. Dennoch ist diese die hier am häufigsten angewendete Methode und brachte bisher alle Nilbarsche über 50kg im Murchison Falls Nationalpark. Deshalb versuchten wir uns die ersten Tage auch immer wieder parallel mit Köderfischen, um erstmal eine Vorstellung davon zu bekommen, wann und wo die Barsche raubten. Und fingen auch auf Anhieb bis 54kg! Doch wir waren hier, um etwas völlig neues auszuprobieren. Auf weitläufigen Flusspassagen wurde so gut wie nie mit Kunstködern gefischt. Entsprechend argwöhnisch betrachtete Itchi anfänglich unsere bunt gefüllten Köderkisten mit hier unbekannten Gummifischen. Und wir wollten mit unserer Methode an die wirklich großen Fische ran. Nach den ersten Tagen wuchsen wir zu einem perfekt funktionierenden Spinnfischteam zusammen und Itchi begeisterte sich immer mehr für das ständige Spiel aus anpirschen, Anker setzen, werfen, neue Spots anfahren, driften und suchen, suchen, suchen.

Manchmal waren die Eindrücke um uns herum derart berauschend, dass man fast das Angeln hätte vergessen können. In nahezu jedem Pool lagen Nilpferde, die Krokodile sonnten sich auf den Sandbänken oder lauerten im ein Meter tiefen Uferwasser. Täglich sah man an den Ufern Elefanten, Büffel, Warzenschweine, Paviane, eine bunte Vogelwelt und vieles mehr. Wir kamen nicht als reine Beobachter, sondern lebten mit und unter diesen Tieren. Jeder Angelplatz musste zunächst nach Gefahren abgesucht werden, nicht immer war es möglich den Krokodilen ihr Jagdrevier abzuringen.

Die durchschnittlichen Nilbarsche von 5-20kg schlugen einem beim Biss schon fast die Rute aus der Hand. Größere Exemplare stiegen meist wesentlich behäbiger ein. Ich gab Frank zu erkennen, dass er den Anker lichten sollte und deute zu Itchi, den Motor hoch zu klappen. Der Fisch am Ende meiner Leine zog schwer am Grund am Bug des Bootes entlang und steuerte auf die nächste Stromschnelle zu. Wir folgten ihm ins Wildwasser. Überall ragten Felsen vom Grund empor und wir bemühten uns, möglichst direkt über dem Barsch zu bleiben. Dieser blieb auf Tauchstation und bohrte am Grund. Ich hielt eine Weile dagegen während wir den Fluss weiter stromab driften. Plötzlich erschlaffte die Schnur und ich kam mit dem Kurbeln nicht mehr hinterher. Vor mir riss das Wasser auf und mir sprang ein riesiger aufgerissener Rachen entgegen. Danach schlug der gewaltige Schädel an der Bordwand auf und rutschte zurück ins Wasser. Itchi handelte blitzschnell und griff den benommenen Nilbarsch im Maul. Ich ließ die Rute fallen und fasste ohne Handschuhe hinterher. Gemeinsam hieven wir den bisher größten mit Kunstköder gefangenen Nilbarsch aus dem Murchison Falls Nationalpark ins Boot. Er war 1,66m lang und Itchi kalkulierte ihn auf 60kg. Wir hatten alle sehr hart gearbeitet, und dass war der wohl gelungenste Start in das neue Angeljahr 2013!

Doch es ließen sich nicht nur Nilbarsche auf Kunstköder fangen. Frank drillte zwei Krokodile von 2-3m bis die Schnur von den Zähnen durchtrennt wurde. In einer Situation hatte ich das Vorfach schon in der Hand und wollte zur Landung ansetzen! Die bis ca. 50kg schwer werdenden Semutundo-Welse bissen regelmäßig auf Köderfisch, einen konnten wir auch auf Gummi überlisten.  Der skurrilste Fang war ein länglicher Fisch mit neunaugenartigem Maul – ein Nilhecht aus der Familie der Elefantenfische!

Insgesamt fingen wir 61 Nilbarsche, davon 58 beim Spinnfischen. Hätten wir am Anfang nicht den Fehler gemacht, mit 0,40er Geflochtenen zu Fischen wären dazu sicherlich noch der ein oder andere große Fisch gekommen. Hier ist schweres Gerät ein absolutes Muss und sollte durch ein äußerst stabiles, mindestens 1m langes Vorfach aus 1,2er Mono oder Geflechtschnur ergänzt werden. Am Ende erreichten wir dennoch weit mehr als wir zu träumen wagten. Dabei steckte die Angelei – sowohl mit Naturködern und insbesondere mit Kunstködern – noch in den Kinderschuhen und es bleibt vieles zu erproben. Und die Bedingungen stehen im Nationalpark dank strikt kontrolliertem Entnahmeverbot jeglicher Art bestens um die Nilbarsche richtig abwachsen zu lassen. Meist ist man das einzige Angelboot auf 30km Flusstrecke. Eigene Ideen und Initiativen sind gefragt, wurden in unserem Fall belohnt und machten das Abenteuer dadurch zu einem ganz besonderen Erlebnis für uns alle.

Unser Dank gilt dabei den Menschen vor Ort und allen Beteiligten an unserer Tour. Nur selten habe ich mich ein einer fremden Umgebung so schnell heimisch gefühlt. In Europa sagte man mir, eine Reise in die afrikanische Wildnis sei gefährlich. Sie sollten Recht bekommen, denn danach fiel mir der Abschied sehr schwer!

 

Statistik

Angler: Frank , Martin

Nilbarsche über 0.5m: 61

Nilbarsche über 1m: 12

Semutundo-Welse: 6

* Fänge auf Köderfisch.

1.Tag:11                                                                                     

1.12 – 0.90 – 0.88 – 0.86 – 0.82 – 0.80 – 0.75 – 0.74 – 0.70 – 0.62 – 0.60

2.Tag:8                                                                 

1.57  – 0.98 – 0.83 – 0.79 – 0.79 – 0.78 – 0.77 – 0.60                                                                  

3.Tag:1                                                                                

1.14

4.Tag:9                                                                               

1.00 – 0.98 – 0.93 – 0.75 – 0.70 – 0.65 – 0.63 – 0.62 – 0.57

5.Tag:Kein Nilbarsch

6.Tag:2                                                                               

1.31  – 0.93*

7.Tag:9                                                                               

1.161.02 – 0.96 – 0.83 – 0.83 – 0.80 – 0.68 – 0.65 – 0.63

8.Tag:10                                                                               

1.47  1.17 1.00 – 0.85 – 0.70 – 0.68 – 0.68 – 0.67 – 0.63 – 0.55

9.Tag:7                                                                              

1.66 1.00 – 0.95 – 0.87 – 0.75 – 0.75 – 0.70

10.Tag:4                                                                       

0.87 – 0.83 – 0.71 – 0.65