Aufbruch zu neuen Ufern

Waller

September/Oktober 2014 .  Spanien  .  Rio Ebro

Martin Peters

Wir waren mit dem Schlauchboot in noch finsterer Dämmerung zu einer anderthalb Stündigen Fahrt zu einem neuen Angelspot aufgebrochen, und ich bibberte bei klammen 7°C in der aufgehenden, nebelverhangenen Sonne an irgendeinem wirklich unzugänglichen Steilhang mit geringstem Platz. Nachdem ich die Ruten am Ufer aufgebaut hatte, kam Martin von seiner Echolotauskundschaftung mit dem Boot zurück. Freudig berichtete er mir von einer breiten Sichel auf dem Bildschirm und sogleich war der Marker an eben diesem Punkt ausgebracht. Fix waren vier Ruten im Wasser und der Spot mit Pellets angefüttert. Nun hieß es warten und am Ufer kauern. An der Oberfläche schlug nach kurzer Zeit tatsächlich ein sehr großer Waller mit der Schwanzflosse. Martin war an der Reihe und wartete auf die erste Aktion. Ich stellte fest, dass dieser Platz im kühlen Wind wohl noch bis Mittag schattig bleiben dürfte. Es war der erste Tag unserer neuen Taktik der „aggressiven Spotfütterung“ an abgelegensten Winkeln, wo weder wir noch hoffentlich irgendwer anders jemals groß mit Pellets gefischt hatte. Konnte man hier in kurzer Zeit, also bei reinen Tagestouren, die Waller überlisten und dabei gezielt große Fische heraus picken? Nach zwei Stunden ging eine Rute krumm. Fast im gleichen Bewegungsablauf hatte Martin sie in der Hand und sprang mit ihr ins Schlauchboot. Durch die starke Strömung und den Zug der durgebogenen Rute verschwanden die zwei schnell aus meinem Blickfeld. Rund fünfzehn Minuten später vernahm ich den entfernten Hall eines Jubelschreis durch den Canyon. Wenig später brachten wir den massiven Kerl mit Boot und eigen entwickeltem Anleinseil schonend an eine flache Kiesbank in unmittelbarer Nähe. Da konnte Martin ihn auf der Matte wenden wie er wollte, doch das Messergebnis blieb gleich, war aber dennoch überzeugend: Satte 2,39m! Zufall, oder der Beweis einer guten Taktik?

Zehn Tage früher: Unsere spätsommerliche Ebrotour stand an. Wir näherten uns dem Fluss mit gemischten Gefühlen. Während sich die spanischen Behörden in Aragon immer noch darüber stritten, ob man die Wallerbestände ausrotten oder als Geldquelle des Tourismus komplett schützen sollte, fand unter den Anglern ein Ansturm auf die letzten noch unberührten Ecken statt. In der Hoffnung, dort Wilderen und Menschen, welche die Natur mit Füßen traten, aus dem Weg zu gehen. Glücklicherweise konnten wir an einem unserer guten Angelspots unser Lager aufschlagen und sollten hier in der Tat in Ruhe gelassen werden. Die Taktik: Ein weit ausgedehnter Futterplatz mit Pellets sollte möglichst viele und große Waller an unseren Spot binden. Gleich der erste Tag startete viel versprechend mit fünf Welsen bis 2,33m.

Am dritten Tag bekam der schwül heiße Spätsommer eine drastische Wende. Schwere Gewitter brachten kühlere Luft mit sich. Wir erlebten Tage mit durchgehendem Landregen, das Thermometer erreichte tagsüber manchmal nur noch 17°C – das war für diese Jahreszeit sehr ungewöhnlich. Mit den fallenden Wassertemperaturen sollten nun aber die kapitalen Waller aktiver werden. Und so fingen wir auch immer wieder Fische über zwei Meter. Nur irgendwie schien der ganz große Run auf unsere Köder auszubleiben. Es wurde wieder wärmer, dann hing der Fluss erneut bis mittags in dichten Nebelschwaden. Gewitter und Dauerregen wechselten sich wieder ab, aber manchmal kam dann auch die Sonne dazwischen durch. Wir warteten geduldig an unserem Plätzchen und überlegten, ob sich die Wilderei bereits negativ auf die Fangergebnisse auswirkte oder wir einfach geduldiger sein sollten.

Nach zehn Tagen hatten wir das Warten, trotz einiger 2m-Überraschungen, satt. Auf Martins Ebro Karten waren viele abgelegene Spots aus Erkundungstouren vergangener Jahre eingezeichnet, an denen wir jedoch bisher noch nie gefischt hatten. Zu klein, zu schwer zu befischen, zu ungemütlich, zu weit entfernt von Bereichen, in denen generell mit Pellets gefüttert wurde, und schon gar nicht zum Campen geeignet. Doch nun war für uns der richtige Zeitpunkt um neue Wege zu gehen – wir hatten schließlich nichts zu verlieren. So bauten wir unser Lager ab und schlugen es bei unserem Freund Nick auf, der sich ebenso irgendwo im Nichts angesiedelt hatte und dort als Karpfen- und Wallerguide angelte.

Drei Tage später. Nach dem Erfolg der ersten Tagestour, der zweite Tag war etwas verhalten verlaufen, hatten wir heute einen sehr schönen Abbruch im Flusslauf markiert und angefüttert. Zwei mittelgroße Welse hatten auch schon angedeutet, dass der Spot nicht so schlecht sein konnte. Wegen all den Felsen und unbekannten Uferstrukturen mussten wir bei jedem Fisch so schnell wie möglich ins Schlauchboot. Ich war an der Reihe – und als ich das Boot über den Fisch gezogen hatte, merkte ich den Druck auf die Schnur aus kürzester Distanz. Behäbig und ausdauernd zog er uns ohne Geruckel und mit konstantem Druck stromauf. Als mein Gegner nach zehn Minuten immer noch fest am Grund klebte, wurde auch Martin langsam nervös. Selbst im Mittelwasser dauerte die Gegenwehr noch eine Weile an, bis Martin schließlich den Unterkiefer packen konnte und den Fisch anleinte. Langsam tuckerten wir mit dem Wels im Schlepptau zu einer dicht gelegenen und vorbereiteten geeigneten Mess- und Fotobucht. Das war mein Fisch der Tour – bullige 2,37m!

Vierter Erkundungstag. Der Bereich unserer Wahl sah sehr unscheinbar aus. Martin vermutete hier aber eine Zugroute zwischen zwei tiefen Löchern und einer weit ausgedehnten Flachwasserzone. Nach zwei Stunden Angeln bekamen wir eine gnadenlose Bestätigung, dass eine unserer Ruten am richtigen Spot lag. Der erste Biss brachte einen Waller von 2,31m für mich. Nach erneutem Ausbringen des Köders und nur zehn Minuten war Martin dran: Ebenfalls 2,31m, aber sehr schlank gebauter Fisch! Auch das dritte Mal lag die Rute nur kurz im Wasser, und ich war wieder an der Reihe. Erneut hatte ich es mit heftiger, zäher Gegenwehr zu tun. Doch auch dieser Drill verlief erfolgreich und wieder umklammerte Martin in nervöser Anspannung einen gewaltigen Unterkiefer. Der massive Schädel ließ auf einen massigen Körper schließen, der sich noch im schlammigen Uferwasser versteckte. Als wir das Tier auf die Matte zogen, zeigte sich das ganze Ausmaß. Wir maßen und ich war außer mir vor Freude: 2,45m – mein neuer Personal Best!

An den nächsten vier Angeltagen konnten wir nochmal drei Waller über 2m nachlegen, auch wenn uns der lang anhaltende Regen das Angeln auf schlammigen Grund oft erheblich erschwerte. So mussten wir einen Tag sogar in unserem Basiscamp ausharren, da bereits vor Sonnenaufgang ein heftiges Gewitter über uns los brach.

Diese Tour war alles andere als entspannend, aber alle Mühen haben sich gelohnt. Für uns hat sich deutlich heraus gestellt, dass wir immer mobil und flexibel bleiben wollen. Wir hoffen weiterhin auf den einsetzenden Menschenverstand der spanischen Behörden, diese Paradies zu bewahren, statt seinem langsamen Untergang tatenlos zu zu sehen.

Neben dem Angeln haben wir natürlich auch wieder die Zeit unter Freunden sehr genossen. Entweder die lustigen Abende im Basecamp mit Nick und seinen Gästen oder auch bei den Besuchen von Oli in Mequinenza oder Nils in Südfrankreich.

So konnten wir dann, nach 19 Tagen Angeln und 18 Wallern über 2m, zufrieden den Heimweg antreten!

 

Statistik

Angler: Minca, Martin

Waller über 1m: 55

Waller über 2m: 18

Karpfen: 2 (bis 1,07m)

 

1.Tag:5

2.33 – 1.95 – 1.92 -1.90 – 1.65

2.Tag: 0

3.Tag:8

2.15 – 1.79 – 1.72 – 1.71 – 1.57 – 1.50 – 1.48 – 1.23

4.Tag:1

1.90

5.Tag:4

2.02 – 1.92 – 1.74 – 1.56

6.Tag:5

2.282.182.112.10 – 1.72

7.Tag:3

1.74 – 1.71 – 1.62

8.Tag:5

2.032.01 – 1.93 – 1.57 – 1.36

9.Tag:5

1.77 – 1.73 – 1.63 – 1.62 – 1.60

10.Tag:1

1.71

11.Tag:2

2.08 – 1.39

12.Tag:1

2.39

13.Tag:2

1.91 – 1.50

14.Tag:4

2.37 1.83 – 1.80 – 175

15.Tag:4

2.452.312.31 – 1.87

16.Tag:3

2.21 2.16 – 1.89

17.Tag: Kein Angeln

18.Tag:1

1.68

19.Tag:0

20.Tag:1

2.27