Der Fluss der weißen Störe

Stör

August 2012 .  Kanada  .  British Columbia . Fraser River

Martin Peters

Der Fraser River ist vielleicht das letzte Ökosystem der Welt, in welchem eine sich nachhaltig erhaltende Störpopulation mit natürlicher Alterspyramide überlebt hat. Diese ist dort komplett geschützt, es dürfen seit 1994 keine Störe mehr entnommen werden – C&R ist Pflicht. Der weiße Stör ist zwar an der ganzen Westküste Nordamerikas beheimatet, findet heute im Fraser jedoch den einzigen Fluss vor, der von seiner Quelle bis zur Mündung keine Staustufe besitzt. Das macht ihn auch zu einem der lachsreichsten Gewässer. Millionen von bis zu fünf verschiedenen Lachssorten ziehen jedes Jahr aus dem Pazifik den Fraser hinauf, sterben nach dem Laichen und treiben als Nahrung für die Störe in der Strömung zurück. Sie bieten eine reiche Nahrungsquelle aus dem Meer, welche das kalte, aber sauerstoffreiche Gebirgswasser niemals aus eigener Kraft aufbringen könnte.

Für die Störe selber ist der Fluss jedoch nicht auf ganzer Länge passierbar. Natürliche Verblockungen und weitläufige Passagen mit flacheren Stromschnellen stellen unüberwindbare Barrieren für aufziehende Störe dar. Insgesamt kann man daher fünf unterschiedliche genetische Gruppierungen von weißen Stören im Fraser unterscheiden, so genannte „Stock Groups“. Zwei dieser Gruppen liegen im Quellgebiet des Fraser-Flusssystems, sind sehr klein und dürfen nicht beangelt werden. Die drei anderen Gruppen sind aus Sicht des Angelns interessant und beherbergen Fischen von weit über 4m und 500kg. Wir sind auf unserer Reise dem Flusslauf auf der Suche nach den großen weißen Riesen gefolgt…

Das Mündungsdelta bei Vancouver ist von der Industrielandschaft einer Großstadt geprägt. Danach läuft  der Fraser kanalartig eingedämmt bis etwas stromauf von Mission weiter, bis er sich kurz vor Chilliwack in weitläufigen Mäandern in verschiedene Haupt-und Nebenarme verzweigt. Ab diesem Punkt gibt es keine industrielle Schifffahrt und kein Flößen von Baumstämmen mehr. Die Flusslandschaft gewinnt an Struktur. Es wechseln sich Stromschnellen mit tiefen Gumpen und Kehrwassern ab, auf den Kiesbänken liegen angespülte Bäume. Oberhalb von Chilliwack rücken die Gebirgszüge näher an den Fluss und verjüngen ihn schließlich wieder zu einem einzigen Bett, welches sich seinen Weg durch den Canyon gräbt. Bis hierhin lebt die größte Störpopulation der ersten genetischen Gruppe – nur diese hat einen Zugang zum Pazifik.

Im August sind die Störe sehr aktiv auf Futtersuche und passen sich dabei immer dem natürlichen Nahrungsangebot an. Wir haben ihnen Lachsfleisch frisch und in allen Verwesungsstadien, Stücke von Neunaugen, Köderfische und Lachsrogen als Köder präsentiert und mit allen gefangen. Unsere Angelstrategie war dabei sehr flexibel. Mit einem 300PS-Jetbot konnten wir große Strecken des Flusses in kurzer Zeit absuchen. Wir warfen dabei die einfachen Grundmontagen mit Bleien um 500g in kurzem Abstand hinter dem Boot aus. Meist zwang uns der Strömungsdruck dazu, die Köder nicht allzu weit zu verteilen – mehr als drei Ruten machten dabei keinen Sinn. Hatten wir nach einer Weile keinen Biss, fuhren wir weiter.

Waren Störe am Platz, machten sie sich durch vorsichtige Zupfer in der Rutenspitze bemerkbar. Nun musste man geduldig warten, bis der Fisch den Köder komplett einsaugte, das Maul schloss und zur Seite abdrehte. Dabei senkte sich die Rutenspitze dann gemächlich, aber gleichmäßig nach unten. Das war der richtige Moment für den Anschlag! Was auch bei großen Fischen so verhalten begann, entlud sich meist schlagartig in einer Explosion. Gerade die Störe ab 2m Länge schossen zu Beginn des Drills meist an die Oberfläche und sprangen mehrfach mit ganzer Länge aus dem Wasser. Die Fische zeigten sich im schnellen Wasser sehr agil, wechselten schlagartig die Fluchtrichtung oder ließen die Bremse aufheulen. Erstaunlicher Weise hatten sie dabei im ermüdeten Zustand recht wenig Wiederstand in selbst schnellster Strömung. Wir kämpften also gegen reine Muskelkraft und nicht träge Masse im Wasser, das machte absoluten Spaß!

Unser Angelgerät erwies uns hierbei beste Dienste und wir konnten viele Erfahrungen und Montagen vom Wallerangeln direkt übertragen. Unsere parabolischen Bootsruten waren bestens geeignet, schwere Bleie zu werfen,  vorsichtige Bisse zu erkennen, auf kurzer Distanz hart zu drillen und all die schnellen Fluchten und Sprünge abzufedern. Besonders die Kombination von 0,50er geflochtener Hauptschnur mit drei Metern 0,90er Schlagschnur reduzierte den Strömungswiderstand auf die Schnur und schützte gleichzeitig vor Abrieb an Hindernissen und den rauen und scharfen Panzerungs-Platten der Störe.

Doch nun zurück in den Fraser-Canyon. Die Hänge wurden steiler und waren dicht mit Nadel- und Laubbäumen bewaldet. Wir fuhren an den wolkenverhangenen Schluchten weiter stromauf, der Flusslauf wurde schmaler und immer öfter von schneller strömenden Passagen unterbrochen. Etwas weiter stromauf befand sich das „Hells Gate“, eine Verblockung des Frasers mit schwerem Wildwasser. Diese Barriere stellt die Grenze der zweiten Störgruppe dar.

Stromauf des „Hells Gates“ begann für uns „wildes Land“. Während der untere Fraser recht stark durch Angler befischt wurde, war der Angeldruck am Mittelauf deutlich geringer oder zum Teil überhaupt nicht vorhanden. Hier lebt die dritte genetische Störgruppe, eindeutig durch ihre längeren Nasen zu erkennen. Als wir mit dem Auto die Straßen mit zunehmendem Schotteranteil am Fluss entlang fuhren, hatten wir bereits das Gefühl:  Hier sind wir genau dort, wo wir hin wollten! Der Bootsritt über brutale Stromschnellen, stehende Wirbel und beängstigende Strömungsverläufe durch schmalste Canyons waren zweifelsohne der Höhepunkt unserer Tour. Hier war das Tragen einer Schwimmweste dringend angebracht! Die grüne Landschaft hatte sich stromauf vom „Hells Gate“ in eine trockene Wüstenlandschaft mit lichtem Kiefernwald gewandelt. Die heißen Sommer und kalten Winter haben die Felsen zusätzlich erodiert. Das Panorama war derart beeindruckend, als befände man sich auf einem anderen Planeten!

Wir konnten am Ende Störe aus allen drei Gruppen fangen. Der Planungs- und Organisationsaufwand war vor und während der Reise enorm, wir verbrachten neben dem Angeln bis zu sechs Stunden am Tag im Auto. Dabei haben wir mit sechs verschiedenen Guides zusammen gearbeitet um in die entlegensten Ecken zu kommen. Insgeheim hatten wir uns mehrere und vor allem einige der richtig großen Exemplare erhofft. Dennoch konnte jeder von uns drei Fische über 2m fangen und wir haben uns einen weitreichenden Überblick über den Flussverlauf verschafft. Alles in allem also – ein großes Abenteuer und unvergessliche Eindrücke! Für uns war klar: Wenn wir hierhin noch einmal zurückkehren würden, dann nicht ohne Zelt und Outdoor-Ausrüstung um 24 Stunden am Wasser zu verbringen.

 

Statistik

Angler: Björn , Martin

Störe: 27

Störe über 2m: 6

1.Tag:                                                                                                                                                               1,09

2.Tag:                                                                                                                                                                2,10                                                                    

3.Tag:                                                                                                                                                               1,75 – 1,50 – 1,50 – 1,35 – 0,91

4.Tag:                                                                                                                                                              2,05

5.Tag:                                                                                                                                                                   2,22

6.Tag:                                                                                                                                                               1,62 – 1,45 – 1,35 – 1,27 – 0,60

7.Tag:                                                                                                                                                               1,86 – 1,28 – 0,72

8.Tag:                                                                                                                                                                  2,182,14 – 0,81

9.Tag:                                                                                                                                                                  2,06 -1,62 – 1,12 – 0,83

10.Tag:                                                                                                                                                              1,55 – 1,05 – 1,03

11.Tag:                                                                                                                                                              Kein Fisch