Störtour 2018

Stör

2018 . Nordamerika

Martin Peters

Zusammen mit Lea machte ich mich zu einer Störexpedition in die nordamerikanische Wildnis auf. Unsere denkwürdigen Erlebnisse der zehn Angeltage möchte ich in Form eines Tagebuches schildern.

Tag 1: Zu Beginn unserer Tour wollten wir an den Spots starten, wo wir in den beiden letzten Jahren sehr großen Erfolg gehabt hatten. Die Bedingungen am Fluss waren ideal und die weißen Riesen ließen nicht lange auf sich warten. Bis zum Tagesende konnten wir 5 Störe über 2m fangen, wobei der größte mit 2,66m knapp an der „magischen Grenze“ von 2,70m kratzte – das war doch schon einmal ein sehr vielversprechender Start! Da wir meist in sehr schwer zu befischenden Flussabschnitten mit Ufern aus Geröll oder steilen Felsabbrüchen unterwegs sind, verzichteten wir erneut generell auf Fotos von Stören unter 2,70m am Ufer.

Tag 2: Am zweiten Tag brachen wir in einen uns unbekannten Flussabschnitt auf.  Die äußert hart zu befischenden Strukturen forderten uns alles ab und ließen uns tief in die Trickkiste greifen. Nachdem wir aber unsere geeigneten Methoden, Montagen und vor allem Schnurstärken entsprechend angepasst hatten, waren wir von der Bissfrequenz fast ausschließlich kapitaler Störe überrascht! Nun hieß es jedes Mal im hängerträchtigen Wasser den Fisch so hart wie möglich zu drillen – in unserem Falle bedeutete das eine Bremseinstellung von durchgehend mindestens 10kg, temporär sogar 15kg!  Wer das einmal nur mit Drillgurt stehend länger als eine halbe Stunde probiert hat, weiß wovon ich spreche. Bei einer solchen Belastung benötigt man Handschuhe gegen Blasen an den Händen, hat mehrfach das Gefühl die Rute nicht mehr halten zu können und nach einer Weile machen sich neben schmerzenden Armen auch starke Rückenschmerzen bemerkbar. Egal wie sehr man sich gegen den Zug dieser brachialen Gegner stemmt oder die Bremse zu knallt – Fische über 2,70m würden einem dennoch die komplette Rolle leer machen, würde man ihnen nicht mit dem Boot folgen können. An diesem Tag landeten wir 6 Störe jenseits der 2m-Marke, darunter ein Traumfisch von 2,81m!

Tag 3: Mittlerweile hatten wir in den letzten Jahren genügend Übung und Erfahrung mit sehr kapitalen Stören und wussten genau, dass man einen Drill nicht durch kurzeitige Kraftanstrengungen verkürzen konnte. Vielmehr musste man die schwachen Momente seines Gegners einschätzen und ausnutzen, ihn so viel wie möglich in Bewegung halten. Doch all diese Theorie erschien mir seit über einer Stunde härtester Beanspruchung des Gerätes völlig wertlos. Seit geraumer Zeit war ich bereits schon in die „Looser-Position“ übergegangen – sitzend auf der Kühlbox, an sich ein „No Go“ für mich. Hände und Arme waren nicht mehr zu spüren, die Schmerzen im Rücken machten mir Angst. Ich war mir sicher, da hing der größte Fisch meines Lebens an der Angel. Nach anderthalb Stunden verweilt der Riese unter dem Boot und macht keine Fluchten mehr. Dennoch schaffte ich es nun nicht mehr allein, nur das Eigengewicht empor zu liften. Selbst bei 15kg war ein stetiges Hochpumpen unmöglich, da der Zug am Ende des Absenkens die gewonnene Schnur wieder abzog. Also musste Lea zum ersten Mal mit beiden Händen mit an die Rute greifen und langsam Stück für Stück mit empor liften. Drei Mal war die Schlagschnur fast auf der Rolle, einmal zeigte sich der Riese an der Oberfläche- wir schätzten ihn auf um die 3,50m! Kurz darauf verabschiedete sich die Hauptschnur und einer der größten jemals gehakten Süßwasserriesen ging für immer auf Tauchstation. Nun hatte ich schon viele Fische gefangen und viele verloren, aber in diesen Sekunden konnte ich mich nur fassungslos auf den Boden den Bootes sinken lassen. Was blieb war weitermachen! Nicht ohne die Multis zunächst mit dickerer Hauptschnur zu bespulen, denn der fatale Bruch kam nicht durch ein Hindernis, sondern die Schnur war bedingt durch die fortwährende Überbelastung einfach gebrochen. Wir fuhren zum Spot zurück und bekamen es erneut mit kampstarken Kolossen zu tun. So konnten wir einen Stör von 2,92m bis zu einem Fotoplatz am Ufer schleppen, ein weiterer von 2,85m ging uns bei diesem Versuch verloren. Diese Drills waren nicht vergleichbar mit dem Ersten! Es war schon recht pervers, dass wir unser Tagesergebnis am Ende demütig als „Trostpreis“ bezeichnen mussten – bei Fische, auf welche manch andere jahrelang erfolglos angelten.

Tag 4: Mittlerweile hatten ganz genau raus, wo sich die kapitalen Störe aufhielten, wann wir flach oder tief fischen sollten und welche Hindernisse im Drill berücksichtigt werden mussten. Am Ende des Tages konnten wir uns erstmalig einen lang ersehnten Traum erfüllen: 10 Fische über 2m an einem Tag im Boot zu haben! Genau genommen sogar mit nur einer einzigen Rute an einem Spot! Sobald der Köder den Boden berührte, wurde er direkt eingesaugt, was für ein absoluter Wahnsinn! Unter den Fängen waren drei Traumfische, wovon wir zwei am Ufer ablichten konnten.

Tag 5: Störe über 2,70m am Ufer zu fotografieren ist keine einfache Angelegenheit. Nachdem man den Fisch ausgedrillt hat, fasst man ihn am Maul und dreht ihn auf dem Rücken, wodurch er in der Regel ruhig im Wasser liegen bleibt. Hierbei driftet man mit dem Boot jedoch in schnell fließendem Wasser, und dabei ist es dennoch nicht leicht eine Masse von 150 bis 300kg längs am Boot in Position zu halten. Ein Helfer entfernt nun das Blei von der Montage und man muss absolut vorsichtig mit der Schnur sein. Erschreckt sich ein weißer Riese unverhofft, kann er kurzzeitig unverhofft brachiale Kräfte entwickeln und muss dann blitzschnell erneut gedrillt werden. Nicht auszudenken was passieren würde, wenn sich die Schnur dabei irgendwo am Angler oder Helfer verwickeln würde! Hat man den Stör nun an „freier Leine“, muss man irgendwie zum Ufer kommen. Den Fisch ins Boot ziehen ist unmöglich und glücklicherweise auch strengstens verboten. Ihn mit der Hand im Maul führen ist auch keine kluge Option, da er ganz sicher den ein oder anderen unhaltbaren Kopfschlag hinlegen würde und dann während der Aktion immer wieder ans Boot zurück gedrillt werden müsste. Dabei bestünde erneut die Verwicklungsgefahr mit der Schnur oder der Fisch ginge an Hindernissen im Uferbereich verloren. Nun könnte man die Vorfachschnur um einen Knüppel wickeln und den Stör daran ziehen. Das geht in der Regel eine Minute gut, dann zerschlägt er mit einem gewaltigen Kopfschlag alle Vorfachmaterialien bis 3mm Stärke und ist fort. Erst recht, wenn man das Vorfach irgendwo am Boot festknotet. Was bleibt, ist den Fisch knapp hinter dem Boot mit der Rute zu führen. Eine teils sehr aufwändige und kraftraubende Methode, aber die einzig mögliche. Hat man schließlich einen geeigneten Uferplatz zum Anlanden gefunden, drillt man den Fisch bei Bedarf nochmal aus und führt ihn mit aller Kraft direkt an der Oberfläche ins Seichte. Dazu verwenden wir Schlagschnüre von 3mm Stärke, damit bei Fels-und Muschelkontakten die Schnur nicht gleich durch ist. Am Ufer angekommen, springt einer vom Team über Bord und greift den Stör im Maul. Befindet man sich nun auf felsigem und rutschigem Untergrund, kann der Fotospaß mit dem manchmal noch recht zornig werdenden Großfisch beginnen. Aber wenn es gelingt, ist man darüber mächtig stolz! Beim letzten Großfisch hatten wir jedoch unser Boot und uns selber in arge Gefahr und zum Nachdenken gebracht. Um unser Glück nicht weiter zu strapazieren und keine Störe für Bilder an Hindernissen abzureißen, mussten wir nun leider im weiteren Verlauf der Tour auf Bilder am Ufer verzichten. So ist das halt manchmal beim „Big Game“ Angeln! Dennoch hatten wir erneut viel zu schwitzen bei 7 Stören über 2m!

Tag 6: Der Großfischwahn nahm auch heute seinen Lauf. Wir hakten fünf Riesen in Folge, darunter auch ein Ausnahmestör von 3,05m! Auch wenn wir die Zeit nach dem Angeln möglichst mit Ausruhen und Schlafen verbrachten, kam mein körperlicher Zustand über den Status „hoffnungsloses Wrack“ nicht mehr hinaus. So musste Lea zwangsweise von ihrer anfangs beschlossenen „Quote“ von einem Stör über 2m pro Tag abweichen und drillte heute allein drei Fische von 2,92, 2,62 und 2,38m – Respekt, darunter auch neuer PB!

Tag 7: Heute erschienen unsere Spots etwas „hart abgefischt“. Dennoch konnten wir uns mit der Nachlese mit einem weiteren Monster nur ganz knapp an der 3m-Marke absolut zufrieden geben. Komplett gestreckt am Ufer hätte er  diese Marke möglicherweise durchbrochen, aber ein Landgang war unmöglich.

Tag 8: Wir suchten auf weiter Strecke einige vielversprechende Spots ab, und der Tag starte und endete gleichermaßen wahnsinnig mit je einem Stör jenseits der 3m! Zwei absolute Traumfische an nur einem Tag! Mitten im Drill mit dem letzten 3m verabschiedete sich der Handknauf meiner Avet und wir mussten fix den Griff einer zweiten Rolle austauschen um weiter drillen zu können. Darüber hinaus mussten wir vier Bremsscheiben und zwei Kugellager ersetzen und hatten einen Rutenbruch zu beklagen. Vertretbare Verluste unter der Materialbelastung!

Tag 9: Heute stand eine lange Anfahrt zu einem Abschnitt an, bei welchem „Top oder Flop“ zu erwarten war. Nun ja, uns erwartete zweites und so kehrten wir bis auf einen Aussteiger ohne Fischkontakt heim. Denke, einen ruhigen Tag in atemberaubender Kulisse genießen zu können tat uns allen zwischendurch mal ganz gut…

Tag 10: Am letzten Tag befischten wir nochmal unsere besten Plätze. Erneut fingen wir viele gute Störe und ließen die Tour gemütlich ausklingen.

Fazit: Was für eine wahnsinnige Tour! In zehn Tagen fingen wir zu zweit 69 Störe, 54 über 2m, 14 über 2,70 und 3 über 3m! Leider ging uns ein absoluter Monsterfisch verloren, aber auch das gehört zum Angeln dazu und lässt Ziele für die Zukunft. Wir alle gerieten an unsere äußersten körperlichen Grenzen und Lea bewies unter den unerwartet hohen Belastungen eine knallharte Belastbarkeit. Wir hatten uns nie eine Pause gegönnt und haben das Ding komplett durchgezogen – meinen Besten Dank gilt also der außerordentlich perfekten Teamarbeit! Das war ganz sicher einer der außergewöhnlichsten Großfischtrips im Süßwasser, die es je gegeben hat!

Störe insgesamt: 69

Störe über 2m: 54

Störe über 2.70m: 14

Störe über 2m:

3.053.033.012.982.922.922.852.842.822.812.772.752.722.71 – 2.66 – 2.66 – 2.62 – 2.62 – 2.54 – 2.52 – 2.52 – 2.46 – 2.45 – 2.45 – 2.43 – 2.42 – 2.41 – 2.41 – 2.40 – 2.39 – 2.38 – 2.38 – 2.38 – 2.37 – 2.36 – 2.35 – 2.34 – 2.32 – 2.32 – 2.30 – 2.30 – 2.30 – 2.25 – 2.25 – 2.22 – 2.20 – 2.20 – 2.19 –  2.18 – 2.15 – 2.15 – 2.05 – 2.03 – 2.01 – …